Freak City
Mit dem Diversity und Coming-of-Age-Film „Freak City“ schicken Produzentin Birgit Stauber und Regisseur Andreas Kannengießer Zuschauer*innen auf eine berührende Reise in die Welt eines hörenden Jungen und eines tauben Mädchens, um zu erfahren, wie Gehörlose leben und kommunizieren. Der Film vermittelt ein zartes Gefühl dafür, wie es ist taub zu sein, was Musik und Beziehungen zu Hörenden herausfordernd macht und besonders, wie Teenager mit diesen Fragen umgehen.
In Zusammenarbeit mit 40 Darsteller*innen, darunter 15 taub oder schwerhörig, und 23 Gebärdensprachdolmetscher*innen wurde das mitunter von 404 Unterstützer*innen finanzierte Crowdfundingprojekt innerhalb von fünf Jahren umgesetzt und nun fertiggestellt.
Premiere der Jugendbuchverfilmung „Freak City“
Potsdam, 01.10.2021. Im Rahmen der Internationalen Woche der Gehörlosen feierte am Internationalen Tag der Gebärdensprache, dem 23. September 2021, die Premiere der Jugendbuchverfilmung „Freak City“. „Wir brennen darauf, „Freak City“ so vielen Menschen wie möglich zu zeigen – tauben, schwerhörigen und hörenden Menschen gleichzeitig, und am liebsten im Kino“, verkündet die Schauspielerin und Produzentin Birgit Stauber, die sich auch im Vorstand von Pro Quote Film für Diversität einsetzt.
„Das Filmprojekt ist ein wichtiger Meilenstein der Filmbranche für die Inklusion von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen vor und hinter der Kamera. Ein gemeinsames Kinoerlebnis verbindet die beiden Welten und generiert auf beiden Seiten Verständnis für unterschiedliche Blickwinkel und Wahrnehmungen – das ist für uns gelebte Inklusion im besten Sinne.“ Besonders ist die Verkörperung der gehörlosen Hauptfigur Lea durch die taube Aktivistin und Schauspielerin Dana Cērmane, denn „Freak City“ ist einer der wenigen Filme, in denen taube Charaktere auch von tauben Darsteller*innen verkörpert werden.
Für die Dreharbeiten wurden 23 Gebärdensprachdolmetscher*innen herangezogen, um sich innerhalb des Teams von 40 Darsteller*innen auch mit den 15 tauben bzw. schwerhörigen Schauspieler*innen verständigen zu können. Auch im Zuge der Filmpremiere werden Dolmetscher*innen für deutsche Gebärdensprache vor Ort sein, während der Film mit erweiterten Untertiteln versehen ist.
Ein Hörender trifft eine Taube – und verliebt sich langsam
Der 108-minütige Spielfilm lässt seine Zuschauer*innen vorsichtig in die Welt der Tauben eintauchen. Als der 15-jährige Mika, verkörpert von Luke Piplies (Tatort Tanzmariechen, Masel Tov Cocktail), Lea, gespielt von der tauben Aktivistin Dana Cērmane, das erste Mal sieht, ist er mit seinen beiden besten Freunden unterwegs. Und schon da fällt ihm auf, dass Lea irgendwie anders ist.
Denn er und seine Kumpels rufen ihr immer wieder Sprüche hinterher, doch Lea reagiert einfach nicht. Wenige Tage später begegnet er ihr im Jugendcafé „Freak City“ wieder und erfährt, dass Lea taub ist. Mika ist perplex und geht zunächst auf Abstand, denn der Jugendliche weiß mit Lea nicht umzugehen. Irgendwie ist diese „Behinderung“ fremd für ihn. Als er jedoch seine Ex-Freundin Sandra, gespielt von Sängerin Julia Müller, sieht, beschließt er, diese mit Lea eifersüchtig zu machen. Kurzerhand meldet sich Mika für einen Gebärdensprachenkurs an. Was als Spiel beginnt, wird schnell bitterer Ernst und Mika muss erfahren, wie schwer es Menschen in einer Welt haben, in der sie anders, in den Augen der Anderen „behindert bzw. nicht normal“, sind.
Best-Practice-Beispiel für kreative taube Community
Doch von dem ersten Drehtag bis hin zur Premiere war es ein schwerer Weg. Über 400 Crowdfunder*innen, das Wim Wender Stipendium und eine Förderung des Zentrums für Kultur und visuelle Kommunikation der Gehörlosen in Berlin/Brandenburg ermöglichten es erst, dass nach nunmehr fünf Jahren die Buchverfilmung Premiere feiern darf. „Mit viel Herzblut und persönlichem Engagement realisierten wir dieses Projekt letztlich für 80.000 Euro – realistisch kalkuliert hätte das Budget bei zwei Millionen Euro gelegen“, erklärt Produzentin Birgit Stauber.
Sie wünscht sich, dass ihr Film eine Initialzündung für die deutsche Filmbranche wird, was Inklusion und Diversität auch für taube Darsteller*innen und Kreative betrifft. Regisseur Andreas Kannengießer sieht darin eine große Chance für die Branche: „Sprache fasziniert mich schon immer, denn sie kann Menschen wundersam verbinden oder entsetzlich trennen. Als ich das Buch Freak City gelesen habe, wusste ich sofort, dass ich es verfilmen will.“ In Vorbereitung auf die Dreharbeiten belegten er und Stauber einen Gebärdensprachkurs. „Nach der ersten Stunde sah die Welt bunter und vieldimensionaler aus, denn Sprache kann die Wahrnehmung verändern“, sagt Kannengießer. Trotzdem ist er der Auffassung, dass er als Hörender den Film nicht hätte machen dürfen. „Dass ich mir das Thema zu eigen machte, kann ich nur damit entschuldigen, dass ich verliebt war, so wie Mika. Ich habe mich aber nicht in einen Menschen verliebt, sondern in eine Sprache – die Gebärdensprache. Sie ist poetisch, räumlich, sinnlich, die muss viel häufiger auf die Kinoleinwand!“
Über Freak Citys Regisseur und Produzentin
Die Verfilmung des gleichnamigen Romans wurde von Birgit Stauber als Produzentin und Andreas Kannengießer als Regisseur umgesetzt. Kannengießer begann seine Lehre beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg, bevor er als Regisseur und Regieassistent vieler Spiel- und Dokumentarfilme erfolgreich wurde. Nach seinem Regiestudium an der HFF „Konrad Wolf“ drehte er Erfolgsfilme wie „Planet Carlos“ und „Vergiss Dein Ende“, welcher 2012 für den Deutschen Filmpreis nominiert war. Seit 2014 arbeitete er an der Jugendbuch-Verfilmung „Freak City“. Mehr über den Filmemacher unter
Stauber stand bereits im Alter von 5 Jahren zum ersten Mal auf der Bühne. Mit zwei abgeschlossenen Studien über Musical und Musiktheaterregie an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien verkörperte sie bereits über 60 Rollen in Film/TV. Seit 1996 schreibt, inszeniert und produziert die engagierte Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin eigene und fremde Projekte. Aktuell dreht sie als Regisseurin den Dokumentarfilm „Burlazz“. Birgit Staubers Filmographie unter www.imdb.me/Birgit.Stauber