Wer Enten mag oder gar eine Ente sein eigenen nennen durfte, kann sich eventuell noch an spektakuläre Entenauftritte in Louis de Funés Filme erinnern.
„Der Gendarm von Saint Tropez“, oder wie immer diese Quatschfilme hießen. Unvergessen auch die Verfolgungsjagd in einem James Bond Film, in dem die Film-Ente allerdings reichlich Federn lassen musste.
Ende der 70iger hatten wir bereits 3 Enten in Pflege gehabt. Eine Knallrote, eine Orange, eine Bunte. Sie wurden bemalt, beklebt, mit kleinen Gardinen versehen, sogar das schmale Armaturenbrett wurde regelmäßig mit Landschaften bemalt.
Flache Einbaulautsprecher in den Türverkleidungspappen sorgten vom damals gängigen MC-Spieler (Musikkassetten) für den nötigen Westcoast Sound. Nicht selten stand der Lautsprecherpegel gerne bis zum Anschlag, wenn möglich bei offenem Verdeck. Ja, die Ente mit einer aufrollbaren Dachhaut war auch ein angedeutetes Cabrio. Da hat sich auch schon mal jemand auf die Rückbank gestellt, um stehend im Fahrtwind verzückt der Musik von „Hotel California“ zu lauschen.
Der Hund brauchte Platz in der heutigen Oldtimer Ente
Wer einen Hund hatte und dann vielleicht auch noch einen etwas Größeren, kam früher oder später darauf, die Sitzbank aus dem Fond zu entfernen, was mit wenigen Handgriffen erledigt war. Dann bot sich einem ein beeindruckendes Raumvolumen. Kannte man sich in der Entenszene bereits etwas aus, wusste man auch von der Kofferraumverlängerungsmöglichkeit, die aus Frankreich oder aus Holland kam (?). Es handelte sich um aus Polyester geformte große Schalen, die man mit wenigen Handgriffen am Heck der Oldtimer Ente im Kofferraumbereich fixierte.
Der ansonsten schräge Kofferraumdeckel lag nun horizontal auf dieser Kistenverlängerung. Dadurch war es möglich, im hinteren Teil der Ente eine gängige 190 cm lange Schaumstoffmatratze glatt hinzulegen.
Nicht nur unser Hund hatte nun ein üppiges Platzangebot. Ich will hier lieber nicht ausführen, mit wieviel Personen wir so manchmal inclusive Gepäck in ein dänisches Ferienhaus gereist sind. Eigene Kinder waren damals noch nicht das Thema. Heute schüttelt man im Nachhinein mit dem Kopf, wenn man sich vorstellt, was alles hätte passieren können und auch toleriert wurde.
Mit einem normalen Hammer hätte man wahrscheinlich die Entenkarosserie zerlegen können, und ich meine keinen großen Vorschlaghammer. Der verlängerte Kofferraumkasten hätte sicherlich nicht dem kräftigen Schlag einer vollen Mineralwasserflasche standgehalten. So war das damals. Wir hatten zwar einmal eine Polizeianzeige und mussten mit dem Kofferraumkasten zur TÜV-Prüfung, hatten aber wegen eines Zertifikates vom Hersteller keine weiteren Probleme.
Das so etwas vom TÜV durchgewunken wurde, ist heute wohl nicht mehr denkbar. Damals waren wir sehr froh über die einfache Vergrößerung der Ente, Gott sei Dank hat es nie einen Unfall gegeben.
So sind wir dann mit 3 Personen, Hund und Gepäck in einigen Wochen tausende Kilometer gefahren. Vom Norden Deutschlands nach Paris, runter an die Mittelmeerküste, Monaco lässt grüßen. Die Cote entlang, dann Alicante, von Zeltplatz zu Zeltplatz. Portugal, Algarve, hoch nach Lissabon und dann weiter zur Bretagne. Wer müde war, konnte sich hinten zum Hund auf die Matratze zwischen das Gepäck legen.
Es gab noch eine andere Fahrt, in der sich die Leistungsfähigkeit dieses einfachen Autos beweisen konnte. Die Schneekatastrophe 1978/79. Wir waren kurz nach Weihnachten mit insgesamt 8 Personen und zwei Autos nach Westjütland in Dänemark aufgebrochen. Wir mit unserer verlängerten Ente und Freunde mit einem VW-Käfer Cabrio. Im Ferienhaus wurde es schnell frostig. Eisblumen an den Fenstern von innen hatten wir lange nicht gesehen.
Die Milch aus dem Vorflur, die auf der Innenfensterbank stand, war zu einem weißen Block gefroren. Sylvester kam und wir legten unser Geld zusammen um uns eine größere Menge Briketts in Ringköbing zu kaufen. Dabei leistete der große Kofferraum unserer Ente gute Dienste. Meist saßen wir dann dicht gedrängt um den bollernden Kaminofen, erzählten uns Anekdoten, oder hörten unsere Musik.
Soviel hatten wir gar nicht von der sogenannten Schneekatastrophe mitbekommen. Das Menschen und ganze Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten waren, erfuhren wir erst genauer, als wir wieder daheim in Kiel waren. Schneeverwehungen und eisige Winde hatten wir auch in Holmsland (DK).
Mit der Ente durch die Schneemassen
Für unsere hochbeinige Ente, mit dem schweren Motor vorn und ihrem Frontantrieb waren die Schneeverhältnisse auch ohne Winterreifen kein Problem.
Wir fuhren vor dem Käfer unserer Freunde über die verschneiten Wege und legten die Spur an. Für uns war alles noch ein großer ungewöhnlicher Spaß.
Doch der Tag der Abfahrt war da. Es war gefühlt noch kälter geworden. Wir zogen so ziemlich alles an Kleidung an, was wir dabei hatten. Denn eines konnte die Ente mit ihrem dünnen Blech, dem dünnen Stoffverdeck und der nicht vorhandenen Isolierung nicht leisten, uns ausreichend mit ihrer kleinen Heizung wärmen. Der Beifahrer versuchte ständig, die kleine Windschutzscheibe vom gefrorenen Atem freizuhalten.
Hinten lagen zwei Personen zwischen dem Gepäck auf der langen Matratze, zwischen ihnen unser Hund. Sie waren in ihre Schlafsäcke geschlüpft, nur die Nasenspitzen schauten hervor. Unsere Köpfe waren in Mützen, Tücher und Schals gehüllt. Eine Zeit lang schlossen wir uns einem panzergeführten Konvoi an. Bei Eckernförde waren wir dann irgendwann ganz allein auf der verschneiten Straße und erkannten nichts mehr wieder.
Unsere Freunde im Käfer hatten wir lange verloren, Handy´s gab es noch nicht. Teilweise waren die Schneemauern links und rechts der schneebedeckten Straße imposante 3 bis 5 Meter hoch. Wir wurden alle sehr still und konzentriert. Spätestens da bekamen wir eine ganz persönliche Beziehung zu unserer damaligen Ente, die sich von alledem nicht beeindrucken ließ und uns durchgefroren, aber wohlauf sicher nach Hause brachte.
Bei unseren Freunden war auch alles gut gegangen
Bei all der Nostalgie und schönen Erinnerungen darf man aber nicht außer Acht lassen, dass es ein riskantes Fahrzeug war. Bei einem heftigen Unfall hatte man sehr schlechte Chancen, mit einem blauen Auge davon zu kommen.
Dünnes Blech, insgesamt ein Leichtgewicht, quasi offenes Dach, keine Airbags etc..
Insofern hatten wir sehr viel Glück, nie in einen Unfall, ob verschuldet oder unverschuldet verwickelt worden zu sein.
Eine Lehrerin in unserer Straße hatte nicht so viel Glück. Sie hatte mit ihrer Ente einem anderen Fahrzeug die Vorfahrt genommen und war fortan querschnittsgelähmt.
Wir haben uns vor einigen Jahren noch einmal eine Ente, die ja schon seit vielen Jahren nicht mehr gebaut wird, gekauft. Dieses Mal babyblau. Es war schön, dieses Fahrgefühl auf einigen Ausflügen in der Umgebung noch einmal reaktivieren zu dürfen. Aus den Lautsprecherboxen hörten wir von einer CD Oldies und dieser einzigartige surrende Motorsound ließ einen mitunter vergessen, dass wir alle Jahrzehnte gealtert waren.
Letztlich stand das Entlein doch meist ungenutzt in der Garage. Vor kurzem haben wir sie schweren Herzens verkauft.
Eine Ente, die man nicht fliegen lässt, ist ja auch nichts.
Vielleicht sind wir irgendwann doch überzeugt gewesen, in unserem aktuellen großen Volvo mehr Komfort und Sicherheit zu haben, als im Entlein.