Design ist ein weites Feld. Randbereiche dieses Feldes nehmen diesen Begriff noch in Anspruch, obwohl wir uns schon eher im Bereich des Kitsches und der Belanglosigkeit befinden. Design muss trotzdem nicht kostspielig sein, auch wenn es einfach und anspruchslos ist.
Schaut euch in euren Wohnungen und Häusern um. Schlicht jeder uns umgebene Gegenstand hat die Hände einer /eines Designer*in gesehen. Jedes Ding braucht neben seiner ihm zugedachten Funktion eine Form und eine Farbe.
Für den Inhalt, also dem eigentlichen Produkt, sorgen die Hersteller mit ihren Werkstätten und Fabriken. Da das Feld der uns umgebenden Gegenstände fast endlos ist und ständig erweitert wird, bedarf es einer Spezialisierung. So haben wir es nicht nur mit dem allgemeinen Produktdesign, sondern mit zahlreichen konkreten Bereichen, wie Textildesign, Tapetendesign, Karosseriedesign, Küchengerätedesign, Baddesign usw. zu tun. Also mit Menschen, die sich ausschließlich um Gardinen, Tapetenmuster, dem neuen Mercedes-Design vom EQS etc. kümmern.
Jeder Füller von Montblanc, jeder Klodeckel von Villeroy & Boch, Kochtöpfe, Rasierer, Babystühle oder Taschenlampen, sie alle benötigen Design. Gar nicht so selten verlassen Designer oder die Firmen, für die sie arbeiten, auch ausgetretene Pfade. Versace lässt neben Bekleidung auch Parfüm und Armbanduhren mit ihrem Logo produzieren.
Luigi Colani ein Düsentrieb der 60iger
Luigi Colani war seiner Zeit vielleicht etwas voraus. Ein Daniel Düsentrieb der 60iger und 70iger Designergeneration. Legendär sein langes Ruderboot für den damals bekannten Ratzeburger-Achters-Sportverein, das leider beim Probelauf in zwei Hälften zerbrach. Seine futuristische Autokarosserie aus Kunststoff war seiner Zeit voraus. Ferrari oder Lamborghini hätten damit wahrscheinlich ihre Verkaufszahlen gefördert. Waren wahrscheinlich zu feige für derart mutige neue Designwege.
Ich mochte Colani`s Ansatz, den möglichen Verzicht auf Ecken und Kanten. Er wollte alles abgerundet, propagierte die Ei-Form als Ursprung allen Lebens. Wo war er nicht umtriebig, tolle Teekanne inklusive Aufhängung, Häuser entworfen usw.
Designs von Colani entdecken hier.
Ettore Sottsass Designer und Architekt
Ettore Sottsass, der in erster Linie als Architekt neue Wege beschritten hat, aber auch im Design von Möbeln erfolgreich war. Seine konstruktiven Ansätze erinnerten mich manchmal etwas an Kinder-Holzbaukästen ähnliche Entwürfe. Aber cool.
Es gibt natürlich auch Designerinnen mit großer Aussagekraft. Visionäre Wegbegleiterinnen vergangener Tage. Le Corbusier ist mit seinen wiederholt produzierten Designklassikern auch heute noch oder wieder ein Begriff. Frauen, wie die ART deco Legende Charlotte Perriand mit ihrer auch heute noch produzierten Chaiselongue LC4, auch als „Corbusier-Liege“ bekannten Arbeit, ist in der damals leider männerdominierten Branche nicht richtig gewürdigt worden. Sie hat zweimal in ihrem Leben mit Corbusier über einen gewissen Zeitraum eng zusammengearbeitet. Auch eine Große von damals ist Eileen Grey.
Designs aus vergangenen Jahrzehnten
Es existieren so viele tolle Design-Objekte aus den vergangenen Jahrzehnten. Die hängende „Bubble“-Kugel von Eero Aarnio aus Acryl-Glas; den „Ball chair“, dieser weißen Kuschelkugel mit roten Polstern aus alten James Bond Filmen bekannt; den aufklappbaren Kunststoffsessel, gerne in quietsch orange, von Peter Ghyczy (1968), auch „Senftenberger Ei“ genannt; aber auch neu aufgelegte Sitzklassiker, wie zum Beispiel der „Back chair“ von der Dänin Bodil Kjaer.
Mit den Namen bekannter Designerinnen und Designer sind unzählige Bücher gefüllt, auf die wir ggf. zurückgreifen können, Fundgruben und Schatzkammern für unsere Inspiration.
Wer aktuelles neu entworfenes Interior sucht, kann sich zum Beispiel eine Übersicht im „Living“ Berlin Interior Design verschaffen. „Bretz“ ist bunt und samtig und es gibt natürlich auch noch viele andere Möbel- und Einrichtungshäuser.
Wer etwas von der neuen Elite möchte, kann sich auch gut über Fachzeitschriften, wie zum Beispiel „Villa“ informieren. Sara Poniatowski gehört sicherlich zu den aktuellen interessanten Designerinnen. In ihrem heimatlichen Paris entwirft sie nicht nur elegante tolle Sitzmöbel.
Biedermeierzimmer und Jugendstileinrichtungen vergangener Jahrhunderte fallen dann aber doch eher in den Bereich der Antiquitäten, als in den Bereich des Designs.
Eye Catcher mit Daseins-Berechtigung
Dennoch lässt es sich mit diesen Möbeln und Dekorationsgegenständen vergangener Epochen wunderbar spielen. Ein Biedermeiersofa fand nicht nur Loriot bequem und gemütlich. Einzelne Möbel, und sei es nur ein poppig bezogener Sessel längst vergangener Epochen, kann als Solitär unter modernen Möbeln ein echter Eye-catcher sein. Die Interieurbedeutung ist nicht zu unterschätzen.
Jedes Ding braucht seine Form und manche sind derart gelungen, dass sie auch nach Jahrzehnten nichts von ihrer Daseins-Berechtigung verloren haben. So eine arco-Stehlampe macht schon was her, braucht aber Luft/Platz zum Atmen, und wehe, Du musst sie umstellen! Der Marmorblock hat sein Gewicht.
Wir wollen uns ja auch nicht ruinieren. Denn für die meisten von uns sprengt die Anschaffung eines Sessels für 5000,00 Euro genauso das Budget, wie ein Esszimmerstuhl von Vitra und Konsorten, um seine Stulle am Esstisch zu sich zu nehmen.
Bei nicht wenigen dieser anspruchsvollen Möbel gibt es Modelle, die sehr ähnlich für den kleineren Geldbeutel nachgebaut, bzw. geringfügig umgebaut wurden. Schaut wie Lounge Chair von Eames aus, ist aber kein echtes Eames drin.
Aber Design sollte in erster Linie Spaß machen. Wenn man alles vorgefertigt und vorgekaut akzeptiert, wo bleibt die persönliche Entfaltungsfreiheit des Individuums.
Die persönliche Gestaltungsfreiheit sollte sich nicht darauf begrenzen, die Farbe der Wandtapete selbst zu bestimmen. Wir sollten uns eher fragen, wie wir die Wände nicht nur durch Tapete oder einen Anstrich aufhübschen können. Alles ist möglich.
Diese Gedanken gab es auch schon früher. Wandmalerei anstelle von Tapeten, Stoffbespannungen, Wandvertäfelungen aus Holz oder auch in der Gegenwart gerne mit Natursteinplatten, Metall, usw..
Den Mut zur Lücke und eigener Kreativität
Heute haben wir die Möglichkeit fast jedes Material auf die Wände zu bringen. Es ist alles da, wir müssen nur den Mut haben, es anzuwenden und zu mischen. Nichts gegen ein stilvolles englisches Arbeitszimmer, aber die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir uns mit vorgegebenen Einrichtungskonzepten in eine Sackgasse begeben.
Ich kann mich noch gut an einen ehemaligen Lebensgefährten meiner Schwester erinnern, der Bauhausarchitektur bevorzugte. Eine tolle zeitlose Gestaltungsepoche, die auch das Design von Möbeln mit einschloss. Sie findet auch heute noch zahlreiche Liebhaber. Mit den Versuchen meiner Schwester, ihren Wohlfühlstil in das bauhausgestylte Reihenhaus ihres Freundens zu schleusen, gab es die ersten Konflikte. Er hat es sofort bemerkt, wenn sie ihre Porzellan- und Holzenten auf seinen Fensterbänken dekorieren wollte. Bauhaus und Dekoenten, also nicht. Warum eigentlich nicht? Wie gesagt, wir haben die Wahl, Sackgasse oder macht die Tüten auf, Freiheit nicht nur für die Gummibären.
Ich weiß, es ist uns so wichtig, einen Eindruck zu vermitteln, eine Außenwirkung, von der wir glauben, dass sie unsere Persönlichkeit widerspiegelt. Und dies gerne auch glamouröser, als es eigentlich ist. Gut, als ich jung war, gab es in unserer damaligen Studentenwohnung mit 50 qm viele Feten, die selten mit unter 50 Leuten stattfanden. Wir hatten knallrote Türen, einen lila gestrichenen Flur mit goldenen Applikationen, kein Geld, aber unser individuelles Wohndesign.
Wurde auch zum Teil mit Lob bedacht, mussten aber bei Gegenbesuchen feststellen, dass es bei unseren Bekannten Mitte der 70iger Jahre meistens nicht anders aussah, als bei deren Eltern. Aufbruchstimmung und Gestaltungsfreiheit in den persönlichen Wohnräumen wurde zwar in Magazinen propagiert, der reale Alltag in den vier Wänden blieb dann zu häufig mausgrau. Wer mutig genug war und über das nötige Kleingeld verfügte, konnte sich neue tolle Designprodukte wie für ein Puzzel zusammenstellen.
Die heutigen Möglichkeiten sind allerdings vielfältiger. Die Materialien stehen in Baumärkten zur Verfügung und sind auch für geringer verdienende Menschen erschwinglich.
Also Freiheit für Pinsel, Farben, Materialien und üppig vorhandenes Werkzeug. Traut euch! Wenn es nicht sofort klappt, entsorgen, übermalen, reintreten – und noch mal versuchen.